Ein Mann steht an einem Podium und spricht ins Mikrofon.

Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur

Entwicklung zukunftsfähiger Strategien für resilientes Kulturerbe

Klimakrise, Kriege, knappe Kassen: Die Gegenwart bietet große Herausforderungen für den Erhalt des kulturellen Erbes. Der Klimawandel bedroht Denkmäler und historische Gärten und auch die Gesellschaft unterliegt einem erheblichen Wandel und Friktionen. Um kulturelles Erbe zukunftsfest zu machen, sind gute Konzepte und Bereitschaft zu Veränderung gefragt. Das UNESCO-Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhe, in dem viele Bäume unter Trockenheit und Schädlingen leiden, bot eine anschauliche Kulisse für die Fachtagung, die unter der Überschrift stand „Die Zukunft des kulturellen Erbes - Welche strategisch-politischen Konzepte braucht es?“, und zu der Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels im Rahmen des hessischen Vorsitzes der Kulturministerkonferenz eingeladen hatte. Rund 100 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland folgten der Einladung, um Probleme zu identifizieren und um zukunftsfähige Strategien zu entwickeln, die das Kulturerbe resilienter machen.

Eine Auswirkung des Klimawandels im Bergpark Wilhelmshöhe ist zum Beispiel die starke Ausbreitung der „Rosskastanien-Miniermotte“, eine invasive Insekten-Art, die seit den 1990er Jahren für Schäden an den Bäumen sorgt. Auch Archive und Bibliotheken müssen Entwicklungen, die der Klimawandel mit sich bringt, berücksichtigen. So müssen beispielsweise Bestände vor Überschwemmungen durch Starkregen geschützt werden. Notfälle, die sich innerhalb kürzester Zeit zu einer echten Katastrophe entwickeln können, gilt es frühzeitig zu identifizieren, um im Bedarfsfall entsprechend handeln zu können. In den vergangenen Jahren sind deshalb in Hessen eine Reihe von Notfallverbünden entstanden. Das Hessische Landesarchiv hat bereits ein Papier vorgelegt, welches eine Handhabe bei konkreten Bedrohungslagen in bewaffneten Konflikten darstellt.

Bei Raumtemperaturen und Feuchte besser gegensteuern

Aufgrund klimatischer Veränderungen muss auch die Ausstellungswelt neu gedacht werden. So werden in der Grimmwelt in Kassel Vitrinen mit besonders wertvollen Exponaten mit besserer Messtechnik ausgestattet, um bei Veränderungen von Raumtemperatur und Feuchte besser und schneller gegensteuern zu können.

Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels: „Wir brauchen übergreifende Strategien, eine schwierige Prioritätensetzung und ausreichend Geld. Orte wie der Bergpark haben eine hohe Anziehungskraft und ein hohes Identifikationspotential für viele Menschen. Sie stärken den Zusammenhalt. Archive, Museen und Bibliotheken, bewahren unsere gemeinsame Erinnerung, halten sie lebendig und bezeugen unsere Identität und unsere Geschichte. Sie sind die Voraussetzung für eine vielfältige, offene, demokratische Gesellschaft. Wenn wir Kulturerbe resilient machen, dann machen wir auch unsere Demokratie resilient.“

Neue Priorisierung notwendig

Die Tagung in Bad Wilhelmshöhe in Kassel bündelt in Kooperation mit der Kulturstiftung der Länder, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Klassik Stiftung Weimar und Hessen Kassel Heritage Expertenwissen für die weiteren Beratungen der Kulturministerkonferenz.

Expertinnen und Experten aus kulturbewahrenden Einrichtungen, Stiftungen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie verschiedenen Verbänden und Landesministerien diskutierten während der zweitägigen Tagung Eckpunkte zu strategischen Konzepten, um den gegenwärtigen Herausforderungen zu begegnen. Die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, Dr. Ulrike Lorenz, berichtet über Erfahrungen aus der Praxis. Im Vorfeld der Sanierung des Goethe-Nationalmuseums in Weimar waren Sondermittel weggebrochen, eine neue Priorisierung war notwendig geworden. Dr. Ulrike Lorenz sagt: „Gesellschaft, Politik und Kultur erleben einen Paradigmenwechsel. Wir müssen damit umgehen, dass es im Kultursektor um Wandel statt Wachstum geht. Priorisieren heißt heute auch Depriorisieren. Für diese Transformation brauchen wir tragfähige Zukunftsstrategien. Kulturerbe-Institutionen sind angewiesen auf souveräne Kulturpolitik, die das Umrüsten von Ansprüchen und Projekten flankiert und Verantwortung für Resultate und Risiken mitträgt.“

Vorträge und Diskussionen

Zu den Vortragenden zählt auch Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder. Er geht der Frage nach, was politische Konzepte für Kulturerbe erfolgreich macht. „Erfolgreiche Kulturerbestrategien setzen bei den Menschen an. Je größer die Relevanz des kulturellen Erbes, desto höher seine Resilienz, unabhängig von konkreten politischen Rahmenbedingungen. Dies bedeutet, dass politische Kulturerbestrategien dann besonders leistungsfähig sind, wenn sie auf gesellschaftlicher Relevanz und Akzeptanz des kulturellen Erbes basieren und diese insbesondere durch Bildung, Forschung und breit angelegte gesellschaftliche Aushandlungsprozesse zu fördern suchen“, sagt er.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Hermann Parzinger, stellt fest: „Kulturerbe ist keine erneuerbare Ressource und braucht daher bestmöglichen und nachhaltigen Schutz vor verbrauchender Nutzung oder Zerstörung durch äußere Einflüsse. Seine Erhaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit sehr hoher Priorität, Kulturerbe ist wichtig für Identität, macht Geschichte erfahrbar, Kulturerbe ist materialisierte Geschichte. Hinzu kommt, dass Kulturerbe im weltweiten Wettbewerb auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Standortvorteil sein kann. Um dabei erfolgreich zu sein, ist es entscheidend, auch die dafür erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen zu stärken.“

Die Ergebnisse der Tagung sollen in die weiteren Beratungen der Bundesländer einfließen. Bis Mitte 2025 werden die Vorträge und Diskussionsergebnisse in einem Tagungsband gebündelt, den die Kulturstiftung der Länder finanziert.